Den höchsten Frauenanteil weist derzeit Niederösterreich mit 10,3 % (59 von 573) Bürgermeisterinnen auf. Den niedrigsten Wert verzeichnet Salzburg mit nur 3,4 % weiblicher Ortschefs (4 von 119).
Einen geringfügigen Anstieg haben die jüngsten Kommunalwahlen in Tirol gebracht, dort gibt es nun 16 Bürgermeisterinnen. Die Gründe für den geringen Frauenanteil in Österreichs Gemeindeämtern sind vielfältig. „Die schlechte Vereinbarkeit von Zivilberuf, politischem Amt und Familie ist sicherlich ein wesentlicher Faktor“, glaubt Sonja Ottenbacher, langjährige Ortschefin von Stuhlfelden (Sbg). „Das Bürgermeisteramt ist sehr zeitaufwändig, viele Sitzungen und Termine finden am Abend oder am Wochenende statt. Das ist für Frauen ein großes Problem, weshalb sie diese Form der politischen Karriere oft gar nicht in Betracht ziehen.“
Mehr als die Hälfte der heimischen Bevölkerung ist weiblich, trotzdem stehen nur in sieben Prozent aller Gemeinden Frauen als Bürgermeisterin an der politischen Spitze. „Das ist kein erfreulicher Zustand“, sagt Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer. „Die Zahl der Frauen im Bürgermeisteramt steigt viel zu langsam, seit Jahren gibt es nur leichte Anstiege. Derzeit gibt es in Österreich 146 Bürgermeisterinnen. Bei einer Gesamtanzahl von 2.100 Gemeinden ist das ein viel zu niedriger Wert.“
Zwei Drittel der Bürgermeisterinnen haben an Gemeindebund-Befragung teilgenommen
Der Österreichische Gemeindebund versucht seit einigen Jahren das Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen. Heuer wurde im Frühling zum ersten Mal eine sehr detaillierte Befragung aller Bürgermeisterinnen gemacht. „Zwei Drittel der Kolleginnen haben daran teilgenommen, das ist ein äußerst hoher Wert“, sagt Ottenbacher. Mit den Daten aus dieser Befragung besteht nun ein quantitativ und qualitativ guter und sehr repräsentativer Überblick über den Status und die Problemfelder, mit denen die Ortschefinnen sich befassen müssen.
Hoher Bildungsgrad, kaum junge Frauen im Amt
Was sofort auffällt: Es gibt kaum Bürgermeisterinnen unter 40 Jahren in Österreich. Gerade einmal vier Prozent fallen in diese Altersstufe. Den mit Abstand größten Anteil stellen Frauen im Alter zwischen 50 und 59 Jahren. „Das ist ein sehr auffälliger Wert“, konstatiert Mödlhammer. „Der Weg ins Amt ist für Frauen steinig und lang. Bei Männern geht das oft schneller.“ Ebenso auffällig ist der tendenziell hohe Bildungsgrad von Frauen in dieser Funktion. Exakt 50 Prozent haben Matura oder einen Hochschulabschluss, nur zwei Prozent haben die Pflichtschule als höchsten Schulabschluss angegeben. Ein großer Anteil der Bürgermeisterinnen ist verheiratet (81 %), elf Prozent sind geschieden, zwei Prozent verpartnert.
Bürgermeisteramt wird nur selten aktiv angestrebt
In der politischen Einordnung spiegelt die Teilnehmerstruktur der befragten Frauen im Wesentlichen auch die tatsächliche kommunalpolitische Struktur in Österreich wieder. 53 % der Teilnehmerinnen haben für die ÖVP kandidiert, 33 % für die SPÖ und 13 % für eine Namens- oder Bürgerliste. Gut erkennbar ist, dass der Einstieg ins Bürgermeisterinnenamt im Normalfall über andere politische Funktionen erfolgt. Gemeinderatsmandat, Vizebürgermeisterin oder Parteifunktionen stehen meist vor der Wahl ins höchste Amt der Gemeinde, echte Quereinsteigerinnen sind eher selten. Interessantes Detail: Nur 55% der Ortschefinnen haben mit ihrer Liste oder Fraktion eine absolute Mehrheit im Gemeinderat, 22% stehen sogar einer Minderheitsfraktion vor. „Das wird durch das Direktwahlsystem in sechs von neun Bundesländern ermöglicht. Man kann die Bürgermeisterinnenwahl gewinnen, bei der Gemeinderatswahl aber nicht an erster Stelle landen. Das ist generell gar nicht so selten, bei Frauen aber häufiger als bei Männern.“
Nur in Ausnahmefällen (elf Prozent) streben Frauen das Amt aktiv an. Die meisten (44 %) geben an, dass „sich das aufgrund der Umstände“ so ergeben hat, 33 % der Frauen wurden direkt gefragt, ob sie das Amt übernehmen wollen, elf Prozent mussten überredet werden.
Hoher Zeitaufwand und geteilte Familienarbeit
Der Zeitaufwand, der für die Ausübung des Amts erforderlich ist, ist bei Frauen offensichtlich besonders hoch. Das zeigt sich auch daran, dass 46 % der Bürgermeisterinnen ihr Amt hauptberuflich ausüben. „Bei Männern ist das anders“, weiß Mödlhammer. „Hier gehen wir davon aus, dass 70 bis 80 Prozent einen zivilen Beruf haben und das Bürgermeisteramt zusätzlich dazu ausüben.“ In der Detailanalyse lässt sich erkennen: 76 % der weiblichen Bürgermeister wenden mehr als 30 Stunde pro Woche für ihre politische Arbeit auf. Mit einem klassischen Familienleben ist das schwer zu vereinbaren. 56 % der Frauen geben an, dass sie sich die Kinderbetreuung mit ihrem Partner annähernd zu gleichen Teilen aufteilen, bei der Hausarbeit gilt das nur für 40 % der Haushalte.
Logische Schlussfolgerung: Die Freizeit ist knapp bemessen. 79 % der Ortschefinnen klagen über einen Mangel an Freizeit. „Das liegt auch daran, dass das Bürgermeisteramt ja meistens nicht die einzige Aufgabe ist. Vereine, Verbände, Regionalorganisationen, andere Gremien. Bürgermeister/innen – egal welchen Geschlechts – müssen in vielen Einrichtungen zusätzliche Mandate und Aufgaben übernehmen. 83 % sind in mehr als drei Organisationen tätlich, diese Funktionen sind oft auch direkt ans Amt als Bürgermeister/in gebunden. Das führt zu einer extrem hohen Termindichte, ist aber im Sinne der interkommunalen Zusammenarbeit wohl eine Notwendigkeit“, so Mödlhammer und Ottenbacher.
Kritik an fehlender sozialer Absicherung
Ein großer Kritikpunkt ist seit Jahren die mangelhafte soziale Absicherung von Bürgermeisterinnen. 71 % bewerten diesen Bereich als „wenig“ oder „gar nicht“ zufriedenstellend. „Das ist ein Alarmsignal, weil es sicher auch dazu beiträgt, dass sich nicht genügend Frauen für dieses Amt interessieren oder es anstreben“, sagt Mödlhammer. „Es ist zwar in den letzten Jahren in den meisten Bundesländern bei den Gehältern etwas getan worden. Das kann man auch quantitativ festmachen, denn 69 % sind mit der Bezahlung zufrieden. Aber die Absicherung nach einem Amtsverlust ist nicht existent. Von Regelungen in einer Arbeitslosigkeit oder in der Pension ganz zu schweigen. Viele Frauen geben ihren zivilen Beruf teilweise oder völlig auf, um als Bürgermeisterin tätig zu sein. Wir müssen hier minimale Instrumente der sozialen Absicherung schaffen, sonst wird sich das künftig niemand mehr antun.“ Dazu passt, dass 49 % der Frauen nicht im Detail wussten, was da auf sie zukommt, als sie die Funktion übernommen haben. „Ich glaube, es ist generell ein großes Problem, dass die Übergabe, die Einführung ins Amt durch den/die Vorgänger/in sehr mangelhaft ist. Das geht ja oft mit einem politischen Wechsel einher, da gibt es keine Übergabe. Dazu kommt, dass Bürgermeister ein Ausmaß an Haftungen, an Verantwortung und an juristischer Zuständigkeit übernehmen, auf das kaum jemand vorbereitet ist. Ich weiß, dass dafür Schulungen angeboten werden, es wäre wichtig, dass das jeder so rasch als möglich nach der Wahl in Anspruch nimmt“, so Ottenbacher.
Hoher Gestaltungswillen, kaum Anfeindungen
Am Gestaltungswillen mangelt es den Frauen jedenfalls nicht. Dieser Begriff wurde am häufigsten genannt, als die Motive für die Kandidatur abgefragt wurden. Gestalten, Bewegen, Veränderung. Aber auch Zufall, Herausforderung und Karriereschritt waren häufig genannte Gründe. Mit Anfeindungen bei Amtsantritt hatten die wenigsten Frauen zu kämpfen, und wenn, dann reduzierten sich diese Anfeindungen rasch von selbst.
In einem freien Textfeld konnten die Bürgermeisterinnen die größten Hindernisse und Ärgernisse benennen. „Bürokratie, Gesetzesflut und Überregulierung wurden hier am öftesten genannt“, berichtet Mödlhammer. „Das entspricht übrigens auch der Gefühlslage aller Bürgermeister/innen. Der Staat reguliert sich selbst zu Tode, dafür hat kein Mensch mehr Verständnis. Und wir in den Gemeinden müssen das vollziehen und kassieren dafür noch den Ärger der Bürger/innen.“ Danach kommen schon wichtige persönliche Erfahrungen. „Zeitknappheit, Parteipolitik, fehlender respektvoller Umgang und mangelnde Verantwortung der Politik belasten die Kolleginnen sehr“, weiß Ottenbacher.
In der Rekrutierung von politischem Nachwuchs verhalten sich Frauen mehrheitlich geschlechterneutral. 55 % versuchen sowohl Männer, als auch Frauen für politische Funktionen zu gewinnen. 40 % legen einen besonderen Schwerpunkt darauf, Frauen anzusprechen. Wichtig dafür ist auch, dass 78 % ihr Amt gerne ausüben und „mit dem Wissen von heute“ jederzeit wieder kandidieren würden. Am fehlenden politischen Interesse dürfte es nicht liegen. In den Gemeinderäten ist der Frauenanteil nämlich deutlich höher als in den Spitzenfunktionen. Insgesamt gibt es in Österreich rund 38.800 Gemeinderät/innen. Davon sind ca. 9.500 Frauen (rd. 24 %). Nicht ganz so hoch, aber fast doppelt so hoch wie die Anzahl der Bürgermeisterinnen, ist jene der Vizebürgermeisterinnen. Österreichweit gibt es 331 Vizebürgermeisterinnen, das entspricht 15,8 %. „Dieses Potential müssen wir besser nutzen“, so Mödlhammer und Ottenbacher. „Das ist ein wunderschönes Amt, das große Freude macht. Der Schritt von der Gemeinde- oder Stadträtin zur Bürgermeisterin ist emotional oft schwierig, operativ aber gar nicht so schwer.“
Zusammenarbeit und Vernetzung von Frauen
Schon seit einigen Jahren gibt es einen mehrtägigen jährlichen Gedankenaustausch unter Österreichs Bürgermeisterinnen. „Das ist ein sehr wichtiges Vernetzungstreffen, das Frauen in diesem Amt oft zeigt, dass sie mit ihren Herausforderungen oder Stolpersteinen nicht alleine sind“, so Mödlhammer. Bei diesem Netzwerktreffen werden den Bürgermeisterinnen auch konkrete Unterstützungsleistungen angeboten. Das heurige Treffen findet von 8. bis 10. August in Stuhlfelden (Salzburg) statt und befasst sich u.a. auch mit dem Themenfeld „Wenn Bürgermeisterinnen abgewählt werden“.
Auch das Mentoring-Programm, das in Niederösterreich nun umgesetzt werden soll, hält der Gemeindebund-Präsident für richtig. „Es ist für den politischen Nachwuchs unschätzbar wertvoll, wenn erfahrene Politikerinnen ihr Wissen mit Newcomerinnen teilen. Davon profitieren beide Seiten. Der Gemeindebund unterstützt dieses Programm gerne und aus vollem Herzen. Wir werden uns darüber hinaus nach einem Jahr anschauen, ob das ein erfolgsversprechender Ansatz ist, eine Evaluierung vornehmen und das Programm eventuell auf ganz Österreich ausweiten.“
Quelle: Österreichischer Gemeindebund