Niederösterreichisches Breitband-Dilemma verhindert Arbeitsplätze in den Regionen.
„Bezahlbares Wohnen, Energiewende, Wasserversorgung, öffentlicher Verkehr: Die Covid-Pandemie hat gezeigt, welch wichtige Funktion die Daseinsvorsorge in einer global vernetzen Welt einnimmt. Zu nennen sind beispielhaft ein stabiles Gesundheitssystem und ein intakter öffentlicher Personennahverkehr. Diese Leistungen sind sozialpolitisch notwendig und ökonomisch sinnvoll“, erklärt SPÖ NÖ Landesparteivorsitzender, LHStv. Franz Schnabl: „Corona hat auch digitale und smarte Infrastrukturen relevanter für die Daseinsvorsorge werden lassen. Beliebter als Klopapier wurde schnelles Internet.“ Der Upstream-Traffic habe sich aufgrund von Homeschooling und Homeoffice laut Studien mehr als verdreifacht. Beim Video- und Musikstreaming gab es einen Zuwachs von 30 Prozent.
„Die Menschen folgen ihrem Arbeitsplatz – und wandern ab in die Städte, wenn es nicht mehr anders geht. Deswegen ist klar, dass wir funktionierenden öffentlichen Verkehr, ausgebaute Straßen, aber auch ein ausgebautes Mobilfunknetz und Breitbandanschluss sowie eine Förderung des Handwerks brauchen. Denn es geht dabei nicht nur um die Lebensqualität in ländlichen Räumen, sondern darum, dass innovative Start-Ups und renommierte Unternehmen auch außerhalb städtischer Zentren arbeiten könnten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit einem Unternehmen, das jungen, gut ausgebildeten Menschen Jobs bieten kann, ausschließlich in der Großstadt unterwegs sein muss, wenn man auch mit Blick auf den Schneeberg, auf das Voralpenpanorama oder die Waldviertler Blockheide wunderbar arbeiten könnte“, sagt Schnabl.
In Österreich wurde für den Ausbau der Breitband-Infrastruktur in der Breitbandstrategie 2020 festgelegt, dass bis dahin eine nahezu flächendeckende Versorgung mit ultraschnellen Breitband-Hochleistungszugängen zur Verfügung steht. Dieses Ziel wurde von der ÖVP verfehlt: 2020 gab es in Österreich rund 2,6 (2,556) Millionen feste Breitbandanschlüsse. Über eine Million dieser Anschlüsse verfügt jedoch nur über eine Bandbreite von weniger als 30 Mbit/s, die Mittlere Downloadgeschwindigkeit in Niederösterreich betrug Anfang 2020 gerade einmal 24 Mbit/s. Die im Jahr 2010 festgelegte Strategie „Europa 2020“ sah jedoch vor bis 2020 eine schnelle Breitbandversorgung von über 30 Mbit/s für alle europäischen Haushalte sowie eine ultraschnelle Versorgung (> 100 Mbit/s) für mindestens 50 Prozent der europäischen Haushalte sicherzustellen.
„Auf den ersten Blick reichen die Basistarife der Internetdienstleister aus. Sie bieten einige zehn MBit/s Bandbreite. Greifen dann mehrere Personen oder Anwendungen gleichzeitig aufs Internet zu, etwa in einem KMU, kann die Bandbreite schnell knapp werden. Das ist fatal, wenn eine Kleinstunternehmerin mit einem wichtigen Kunden eine Videokonferenz hat, ihr Partner währenddessen im gleichen WLAN einen Film auf Netflix schaut und der Sohn ein Online-Game auf dem Handy startet“, erklärt Schnabl.
Angesichts der Herausforderungen auf dem Wirtschafts- und Arbeitsmarkt, aber auch für den privaten Gebrauch, sei Breitbandinternet bis in die letzte Ecke Niederösterreichs notwendig, fordert Schnabl: „Für schwer erschließbare Regionen muss es staatliche Zuschüsse geben. Die flächendeckende Versorgung trägt zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse bei und gewährleistet die soziale und wirtschaftliche Teilhabe und den Zugang zu Information für alle BürgerInnen. Schnelle Breitbandverbindungen müssen als Teil der Daseinsvorsorge etabliert und strukturelle und finanzielle Rahmenbedingungen so geschaffen werden, dass ein flächendeckender, leistbarer Zugang für alle Menschen nachhaltig sichergestellt wird.“ Zudem würde der Ausbau des Glasfasernetzes und dessen Betrieb Arbeitsplätze schaffen, die wir dringend benötigen: Für 80.000 neue Jobs in Niederösterreich. Damit können wir Vollbeschäftigung erreichen – denn jede/r hat das Recht auf Arbeit!
Stadler: Digitalisierung als Vereinfachung für Behördenwege
„Digitalisierung wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus. Mit dem Ausbau des e-Governance wird es BürgerInnen ermöglicht, Behördenwege digital zu erledigen. Ob in der Berufswelt, in der Schule, für Wissenschaft und Forschung oder für die eigene, private Nutzung: Eine Verbindung ins World-Wide-Web gehört zu unserem Lebensalltag – Zugang zu barrierefreiem Internet ist eine Notwendigkeit und schon längst Bestandteil der Daseinsvorsorge“, erklärt der Vorsitzende des Österreichischen Städtebundes in NÖ und Bürgermeister der Landeshauptstadt St. Pölten, Mag. Matthias Stadler.
Zur öffentlichen Daseinsvorsorge gehören auch die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, der öffentliche Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen, Krankenhäuser, Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen und vieles mehr. In der EU steigt der Druck, die Wasserversorgung zu privatisieren. Lobbygruppen und Konzerne wie Nestle setzen sich seit Jahren dafür ein. Dabei zeigen Beispiele aus ganz Europa: Durch Privatisierungen wird Wasser teurer, aber die Qualität schlechter.
„Die Privatisierung von Wasser hat sich in ganz Europa als schwerer Fehler erwiesen: Mehr als 120 Städte und Gemeinden haben in den letzten 15 Jahren ihre Wasserversorgung von der privaten in die öffentliche Hand zurückgeholt. „Die Verlierer wären die Menschen, die mit sinkender Qualität und steigenden Preisen rechnen müssten. Beispiele wie in Paris zeigen, wohin Marktöffnung oder Privatisierung führen: Die Preissteigerung betrug im Auslagerungszeitraum fast das Dreifache (260 Prozent). Paris hat die Wasserversorgung wieder in die eigene Hand genommen. Ebenso wie Berlin, wo Wasser um ein Drittel mehr kostete, aber die Gewinne der Konzerne im dreistelligen Millionenbereich lagen. Im Juli 2019 wurde eine Bestimmung im Verfassungsrang beschlossen, die den Erhalt des Trinkwassers in öffentlicher Hand garantiert“, erklärt Stadler – Anlass war das Ibiza-Video, in dem Strache einer Investorin das österreichische Trinkwasser als Geschäftsfeld versprach.
„Die kommunale Daseinsvorsorge muss geschützt und unsere gewachsenen hohen Standards im Verbraucher-, Arbeitnehmer-, Gesundheits- und Umweltschutz keinesfalls ruiniert werden – sonst stehen wir am Ende ohne Daseinsvorsorge da“, sagt Stadler, der wie Schnabl schnelles Internet als zentralen Punkt sieht: „In der Pandemie haben wir erlebt, was es bedeutet, wenn ein Bundesland bei Breitbandanschlüssen hinterher hinkt – im Homeschooling, im Homeoffice, bei den sozialen Kontakten mit Familie und Freunden, beim Streaming. Wir brauchen eine Mindestbandbreite, die sich an der von der Mehrheit der BürgerInnen aktuell bereits genutzten Bandbreite bemisst. Zudem müssen die gebuchten Daten auch tatsächlich zur Verfügung stehen.“
Dworak: Gemeinden entlasten
„Schnelles Breibandinternet sollte heutzutage Standard für eine lebenswerten Gemeinde sein. Aber diesbezüglich hinken wir in Niederösterreich um Jahre hinterher. Und wenn ich mir das diesbezügliche Budget des Bundes ansehe, dann fehlen hier die Finanzmittel für einen flächendeckenden Ausbau“, erklärt der Präsident des niederösterreichischen GemeindevertreterInnenverbandes, Bgm. Rupert Dworak: „Zu einer funktionieren Gemeinde und einer funktionierenden Daseinsvorsorge gehören aber auch Einrichtungen wie ein praktischer Arzt, ein Postamt, eine Bankfiliale oder zumindest ein Bankomat, eine Polizeiinspektion in Reichweite, ein Postamt, ein Nahversorger und natürlich auch ein örtlicher Wirt. Aber viele dieser Institutionen sind in den vergangenen Jahren vor Ort schlicht verschwunden. Immer weniger Gemeinde können eine vollständige Infrastruktur mehr zur Verfügung stellen, was dramatische Folgen für die Menschen und die Kommunen selbst hat. Die Lebensqualität sinkt beträchtlich, viele Junge wandern ab, folgen ihren Jobs in urbanere Umgebung.
Erst kürzlich habe ich wieder bei meiner Tour durch das Waldviertel etliche Gemeinden gesehen, wo viele dieser wichtigen Einrichtungen für die Daseinsvorsorge verschwunden sind oder am Verschwinden sind. Viele Gemeinden sind gezwungen, hier die Initiative zu ergreifen und betätigen sich nun als Postpartner und Nahversorger oder bezahlen die Mieten, damit Bankomaten im Ort erhalten bleiben. Oft wird auch viel Geld in die Hand genommen, um einem praktischen Arzt die Niederlassung schmackhaft zu machen. Alles Dinge, die eigentlich nicht zu den Aufgaben der Kommunen gehören und die ihre ohnehin sehr angespannten Budgets wieder einmal zusätzlich belasten. Deshalb sind Land und Bund dringend gefordert, hier Maßnahmen zu setzen, die die Gemeinden entlasten.“
Am Bild (v.l.): Dworak, Schnabl, Stadler
Foto: SPNÖ/Herbert Käfer