Umfrage: Bürgermeisterinnen öfter zur Kandidatur „überredet“ als männliche Kollegen

Umfrage: Bürgermeisterinnen öfter zur Kandidatur „überredet“ als männliche Kollegen

Aktuelle Studie des Österr. Gemeindebunds unter 318 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zeigt Herausforderungen durch überbordende Bürokratie, Haftung und Geschlechterunterschiede.

Gleichstellung, allgemeine Herausforderungen und Antrieb der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister waren die zentralen Themen einer umfassenden Umfrage von Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle im Auftrag des Österreichischen Gemeindebundes, die im Vorfeld der ersten Bundesfachtagung für Bürgermeisterinnen präsentiert wurde. Die Ergebnisse zeigen vor allem die hohen Anforderungen an Lokalpolitikerinnen und -politiker auf und erschließen Geschlechterunterschiede.

Ein deutlicher Geschlechterunterschied zeigt sich etwa bei der Motivation, für das Amt zu kandidieren: Knapp 27 Prozent der Bürgermeisterinnen gaben an, „überredet“ worden zu sein, während nur 9,5 Prozent der Männer diese Antwort wählten. Weit mehr als die Hälfte der 318 befragten Ortschefs (63 Prozent) haben in ihrem Amt bereits einmal oder mehrmals persönliche Erfahrungen mit Beleidigungen, Bedrohungen und Übergriffen gemacht. Frauen erleben dies tendenziell öfter (mehr als 70 Prozent) als Männer (knapp 60 Prozent). Die Bürgermeisterinnen sorgen sich auch eher um ihre soziale Absicherung (knapp 55 Prozent) als ihre männlichen Amtskollegen (38 Prozent). Beinahe die Hälfte der befragten Frauen sind nicht in der Gemeinde aufgewachsen, in der sie Bürgermeisterin sind, während nur 18 Prozent der Männer diese Angabe machten. Den Lokalpolitikern ist Frauenförderung in der Gemeindepolitik ein großes Anliegen, wie 70 Prozent der Befragten bestätigten. Viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind auch der Meinung, dass die Erwartungen an Frauen als Bürgermeisterin höher sind, bzw. sie sich stärker beweisen müssten als Männer.

Für die Politikwissenschaftlerin und Studienautorin Kathrin Stainer-Hämmerle zeigt die Umfrage ganz klar: „Das Bewusstsein für Frauenförderung ist bei den Verantwortlichen noch nicht ausreichend angekommen. Wenn 83 Prozent der Bürgermeister meinen, an ihre Kolleginnen würden dieselben Anforderungen gestellt, verkennen sie die Lebensrealität von Frauen in der Politik.“ Auch bei der Frage nach der Notwendigkeit von Maßnahmen zur Förderung von Frauen in der Gemeindepolitik scheiden sich die Geister bei den Geschlechtern. „Hier gibt es noch ordentlich Aufholbedarf in der Gesellschaft und der Politik die Hürden für Frauen sichtbar zu machen und diskriminierende Rollenbilder zu durchbrechen“, sagt Stainer-Hämmerle. Für die Politikwissenschaftlerin „muss jedenfalls die Gleichstellung in allen Lebensbereichen das erklärte Ziel bleiben, auch wenn es verschiedene politische Konzepte zur Erreichung dieses Ziels gibt. Gute zukunftsfähige Politik ist nur möglich, wenn alle mitreden und mitentscheiden.“

Als größte Herausforderung im Amt gaben die befragten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister die steigende rechtliche Verantwortung an, gefolgt vom steigenden Anspruch der Bevölkerung. An dritter Stelle, noch vor Finanzproblemen, klagten die Ortschefs über die überbordende Bürokratie und Überregulierung. „Die Ergebnisse zeigen deutlich, wo der Schuh drückt und wo dringender Handlungsbedarf herrscht. Wir fordern seit Jahren die Entlastung der Gemeinden vor unnötiger Bürokratie und warnen vor dem steigenden Haftungsrisiko. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind die besten und erfahrensten Krisenmanager, die direkten Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger und damit auch gemeinsam mit den Gemeinderäten wichtige Stabilitätsfaktoren für unsere Demokratie und Gesellschaft“, betont Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Alfred Riedl.

Die Umfrageergebnisse verdeutlichen die hohen Anforderungen an die heimischen Kommunalpolitikerinnen und -politiker. 70 Prozent der Befragten sind der Meinung, als Bürgermeisterin oder Bürgermeister zu wenig Privatleben zu haben. Dass es sich bei dem Amt um einen Vollzeitjob handelt, zeigt, dass fast die Hälfte der Ortschefs mehr als 40 Stunden pro Woche für die Gemeindearbeit aufwendet. Bei 16 Prozent sind es sogar mehr als 60 Stunden pro Woche. Frauen verbringen insgesamt mehr Zeit im Einsatz für die Gemeinde als ihre männlichen Kollegen. Nichtsdestotrotz üben der Großteil der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister das Amt nebenberuflich aus, fast ein Viertel geht neben dem Amt einer Vollzeitbeschäftigung nach. Die Vereinbarkeit von Bürgermeisteramt und Kindern in betreuungspflichtigem Alter wird von Frauen und Männern gleich eingeschätzt – etwas mehr als die Hälfte sieht darin kein Problem.

Trotz allem bewerten die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ihr Amt als durchaus lohnend. Die Hälfte der Befragten sind mit dem Bürgermeisterbezug zufrieden und der überwiegende Großteil nannte die Gestaltungsmöglichkeiten, den Kontakt mit Menschen und das direkte Feedback als schönste Bereiche ihrer Tätigkeit. Gemeindebund-Präsident Riedl: „Die Ergebnisse der Umfrage sind ein gutes Stimmungsbild für uns, aber auch ein Auftrag. Geschlechtergleichstellung ist uns ein großes Anliegen und wir wollen auch weiterhin aktiv Frauenförderung betreiben. Die Bundestagung für Bürgermeisterinnen, die von 31. März bis 1. April zum ersten Mal stattfindet, dient als Plattform für den fachlichen Austausch unter Kommunalpolitikerinnen und soll Frauen für selbstbestimmtes politisches Engagement motivieren. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bemühen sich stets, vor allem weiblichen Nachwuchs für die Kommunalpolitik zu gewinnen.“

Sonja Ottenbacher, Bürgermeisterin und Initiatorin des jährlichen Bürgermeisterinnentreffens setzt sich seit 2007 für die Vernetzung von Frauen in der Gemeindepolitik ein: „Als ich vor über 20 Jahren zur Bürgermeisterin gewählt wurde, gab es in Österreich gerade einmal 45 Bürgermeisterinnen – heute sind es 202. Allein in den letzten fünf Jahren sind um ein Drittel mehr Bürgermeisterinnen dazu gekommen. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Jede weitere Initiative ist willkommen, um Frauen zu ermutigen, sich mehr zuzutrauen.“

Von 31. März bis 1. April 2022 treffen Bürgermeisterinnen aus ganz Österreich erstmals zu einer Bundestagung in der Hofburg in Wien zusammen. Die Tagung, die vom Österreichischen Gemeindebund organisiert wird, steht unter der Schirmherrschaft von Frauenministerin Susanne Raab und Doris Schmidauer. Die Ortschefinnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz diskutieren mit den Gastgebern Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl zu Themen und Herausforderungen in der Kommunalpolitik. Zu den Referentinnen zählen Kathrin Stainer-Hämmerle (FH Kärnten), Sonja Dörfler-Bolt (Institut für Familienförderung), Helga Lukoschat (Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft, Berlin) und Petra Gajar (Fonds Gesundes Österreich). dent des Oberösterreichischen Gemeindebundes, und die Vizepräsidentinnen Sonja Ottenbacher, Bürgermeisterin in Stuhlfelden (Salzburg) und Roswitha Glashüttner, Bürgermeisterin von Liezen (Steiermark) standen nicht mehr zur Wahl.

Am Bild (v.l.): Präsident Alfred Riedl, Studienautorin Kathrin Stainer-Hämmerle, Bürgermeisterin Sonja Ottenbacher.
Foto: Franz Gleiß


 Präsentation „Kommunalpolitik von morgen“ zum Download

Quelle: Österreichischer Gemeindebund
Österreichischer Gemeindebund wählt neues Präsidium

Österreichischer Gemeindebund wählt neues Präsidium

Präsident Alfred Riedl nach fünf Jahren im Amt bestätigt – auch Rupert Dworak als Vizepräsident wiedergewählt.

Am 23. März 2022 wählte der Bundesvorstand des Österreichischen Gemeindebundes im Palais Niederösterreich in Wien nach fünf Jahren ein neues Präsidium. Bundesvorstandsmitglieder sind insgesamt 64 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus den zehn Landesverbänden des Österreichischen Gemeindebundes und der Generalsekretär. Der Bundesvorstand tritt meist zwei Mal im Jahr zusammen, um wichtige statutarische und inhaltliche Beschlüsse zu fassen. Bei der Wahl am 23. März waren 49 wahlberechtigte Vorstandsmitglieder anwesend.

Der bisherige Präsident Alfred Riedl, der seit März 2017 Chef der größten Interessensvertretung der österreichischen Gemeinden und Städte ist, wurde mit 40 Stimmen (von 49 abgegebenen) in seinem Amt bestätigt. Riedl will auch in den nächsten Jahren mit aller Kraft daran arbeiten, die Position der Gemeinden und Städte weiter zu stärken. „Die Kommunen sind die Basis der Demokratie und ohne die Gemeinden geht nichts in diesem Land. Das haben wir in den letzten Jahren ganz deutlich gesehen. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister machen tagtäglich exzellente Arbeit im Sinne ihrer Bürgerinnen und Bürger. Sie kümmern sich um das höchstpersönliche Lebensumfeld, helfen schnell und unbürokratisch, kennen die Sorgen und Probleme ihrer Bevölkerung und sind meist die ersten und auch einzigen politischen Ansprechpartner. Als Gemeindebund werden wir uns auch weiterhin für alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und die Gemeinden vor Bund, Ländern und der Öffentlichkeit stark machen. Wir sind die starke Stimme aller österreichischen Gemeinden und Städte“, betont der wiedergewählte Gemeindebund-Präsident.

Für das Amt der vier Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten standen fünf Kandidatinnen und Kandidaten zu Wahl. Zu neuen Vizepräsidentinnen wurden die Präsidentin des Vorarlberger Gemeindeverbandes und Bürgermeisterin von Dornbirn, Andrea Kaufmann, mit 46 Stimmen und die Bürgermeisterin von Steinbach am Ziehberg in Oberösterreich, Bettina Lancaster, mit 42 gültigen Stimmen gewählt. Der bisherige Vizepräsident und Präsident des NÖ-Gemeindevertreterverbandes Rupert Dworak wurde mit 34 Stimmen in seinem Amt bestätigt. Neuer Vizepräsident wurde mit 32 gültigen Stimmen Erwin Dirnberger, der auch Präsident des steiermärkischen Gemeindebundes ist.

„Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den engagierten Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertretern aus dem ganzen Land. Ich bin überzeugt, dass wir weiterhin im Sinne aller Gemeinden, parteiübergreifend an einem Strang ziehen, wenn es um die Interessen unserer Kommunen geht“, dankte Riedl den neuen Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten für ihre Unterstützung. In den nächsten Jahren stehen viele Themen am Programm, die der Präsident im Rahmen der Bundesvorstandssitzung auch kurz zusammenfasste. „Von der Hilfe für Vertriebene aus der Ukraine, über die COVID-Pandemie, den Ausbau der Kinderbetreuung, die Reform der Pflege, die Energiewende, die Gemeindefinanzen oder den Breitbandausbau – es sind unzählige große und kleine Herausforderungen, die wir in den Gemeinden täglich zu stemmen haben. Als Österreichischer Gemeindebund stehen wir an der Seite aller Gemeinden und Städte und werden bei Bund und Ländern für deren Unterstützung kämpfen“, so Riedl.

Riedl dankte auch den scheidenden Stellvertretern. Vizepräsident Hans Hingsamer, bis September 2022 Präsident des Oberösterreichischen Gemeindebundes, und die Vizepräsidentinnen Sonja Ottenbacher, Bürgermeisterin in Stuhlfelden (Salzburg) und Roswitha Glashüttner, Bürgermeisterin von Liezen (Steiermark) standen nicht mehr zur Wahl.

Am Bild (v.l.): Präsident Österreichischer Gemeindebund Alfred Riedl, Vizepräsidentin Andrea Kaufmann, Vizepräsidentin Bettina Lancaster, Vizepräsident Rupert Dworak. ©Erich Marschik/Österreichischer Gemeindebund