Großes Vertrauen für die BürgermeisterInnen, viele Herausforderungen bei der Infrastruktur.
„Die Gemeindestudie 2015 zeigt einerseits das große Vertrauen, das Österreichs Gemeinden bei den Menschen genießen, gibt andererseits auch sehr deutliche Hinweise darauf, wo der Handlungsbedarf in den nächsten Jahren liegt“, sagt Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer bei der Präsentation der Befragung, die von Politikwissenschaftler Peter Filzmaier (Bild) durchgeführt wurde. 93 Prozent der Menschen bezeichnen die Lebensqualität in ihrer Gemeinde als „sehr bzw. eher hoch“. Die konkreten Lösungen für ihre Probleme erwarten die Menschen am ehesten von der Gemeindeebene, der EU trauen das nur acht Prozent.
Bürgermeister genießen das höchste Vertrauen
Mehr als die Hälfte der 1.000 Befragten glaubt, dass sie auf Gemeindeebene am meisten mitbestimmen kann. Die Bürgermeister/innen genießen mit 39 Prozent die mit Abstand größte Zustimmung. In kleinen Gemeinden ist dieser Wert mit 45 Prozent am höchsten. 71 Prozent vertrauen ihren Gemeindevertretungen. Schon bei den Landtagen sinkt dieser Wert deutlich ab, vom Nationalrat ganz zu schweigen. Dass die Gemeindeebene auch in Zeiten, in denen viele Entscheidungen auf EU-Ebene fallen, wichtiger wird, empfinden auch die Menschen: 84 Prozent würden sehr bzw. eher dem Satz zustimmen: „Politik auf Gemeindeebene wird immer wichtiger, weil sie am nächsten bei den Bedürfnissen und Anliegen der Menschen ist.“
Mitbestimmung der Bürger auf Gemeindeebene erleichtern
Deutlich waren die Antworten der Befragten auf die Frage auf welcher Ebene sie mehr mitbestimmen können: 55 Prozent antworteten „in der Gemeinde/Stadt“. Für 69 Prozent ist die Mitbestimmung an politischen Entscheidungen sehr bzw. eher wichtig. Für Gemeindebund-Chef Mödlhammer ein klarer Auftrag diese Möglichkeiten mehr zu nutzen: „Die Bürgerbeteiligung sollte auf Gemeindeebene erleichtert werden. Das ist auch ein klarer Auftrag an die Landesregierungen.“
Kinderbetreuung: Gemeinden unternehmen große Anstrengungen
„Eine gute Kinderbetreuung steht ganz weit oben auf der Prioritätenliste der Menschen.“ Dies decke sich auch mit der Einschätzung der meisten Bürgermeister/innen. „Wir haben inzwischen ausgezeichnete Betreuungsmöglichkeiten für 2,5 bis 6jährige Kinder“, sagt Mödlhammer. „Sowohl die Betreuungsquote, als auch die Zufriedenheit mit dem Angebot ist messbar sehr groß. Bei der Kleinkinderbetreuung hingegen haben wir großen Ausbaubedarf. Hier unternehmen inzwischen viele Gemeinden große Anstrengungen, um ein adäquates Angebot zu schaffen. Der Investitionsbedarf wird in den nächsten Jahren in diesem Bereich allerdings sehr hoch sein.“ Schon jetzt wendet eine Gemeinde durchschnittlich 5.600 Euro pro Jahr und betreutem Kind auf.
Zum zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr, das Familienministerin Sophie Karmasin nun doch einführen will, fand der Gemeindebund-Präsident deutliche Worte: „Man sollte schon mit der Ebene verhandeln, die hauptsächlich dafür zuständig ist. Und das sind die Gemeinden.“ Generell sprach sich Mödlhammer gegen 15a-Vereinbarungen aus: „Förderungen sollten direkt dort ankommen, wo sie gebraucht werden und nicht über die Umwege von neun Ländern. Die Gemeinden sollten als Gesprächspartner ernst genommen werden, wenn es um kommunale Belange geht.“
Pflegefonds muss im Finanzausgleich abgesichert werden
Auch die bestmögliche Pflegeversorgung liegt den Befragten sehr am Herzen. „Hier haben wir es mit teils völlig unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu tun“, erklärt Mödlhammer. „Während in den ländlichen Gebieten die Hauspflege noch eine viel größere Rolle spielt, ist in den Ballungsräumen die institutionelle Pflege in fixen Einrichtungen ein Bereich, der immer höhere Investitionen erfordert. Wir müssen darauf achten, dass wir die unterschiedlichen Pflege- und Betreuungsformen gleichstellen, andererseits geht es natürlich auch um die Finanzierung. Die Absicherung des Pflegefonds ist mit Sicherheit eine der wichtigsten Aufgaben im kommenden Finanzausgleich“, so Mödlhammer. Derzeit sei der Pflegefonds über eine eigene Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geregelt. Bis vor wenigen Jahren hatten die Gemeinden die Hauptlast dieser Kosten zu tragen. „Eine faire Kostentragung, an der sich alle Gebietskörperschaften beteiligen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein“, so Mödlhammer.
Für die anstehenden Verhandlungen zum Finanzausgleich peilt Mödlhammer eine stärkere Aufgabenorientierung an. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir hier ein zweistufiges System etablieren. Einerseits eine einwohnerabhängige Grundfinanzierung für die Pflichtaufgaben, andererseits ein zusätzliches stark aufgabenorientiertes Element“, so Mödlhammer. „In jedem Fall müssen wir einen Weg finden, um den kleinen und mittleren Gemeinden eine ausreichende und fair verteilte Finanzkraft zu erhalten, damit sie ihre Aufgaben bewältigen können. Ein Strukturfonds für besonders benachteiligte Gemeinden ist hier sicherlich auch eine Überlegung über die wir diskutieren müssen.“
Große Zufriedenheit mit klassischer Infrastruktur
Bei der klassischen Infrastruktur dürfen sich die Gemeinden über extrem große Zufriedenheit der Menschen freuen. „Wasser, Kanal und Müllentsorgung funktionieren in den Gemeinden hervorragend. Das wird auch geschätzt.“ In den meisten Bereichen der Daseinsvorsorge und dort, wo die Gemeinden Einfluss haben, ist die Qualität sehr hoch. Interessant ist, dass sich die Herausforderungen verschoben haben, sehr stark in einen Bereich, der eigentlich nicht direkt bei den Gemeinden liegt. Medizinische Versorgung, Apotheken, Einkaufsmöglichkeiten, usw. nehmen an Bedeutung zu. „Hier erwarten sich die Menschen offenbar, dass die Gemeinden noch stärker mitwirken, um diese Angebote auszubauen bzw. zu erhalten“, so Mödlhammer.