Österreichs und Deutschlands Kommunen ziehen an einem Strang.
Es ist schon noch immer etwas Besonderes, wenn Vertreter aus unterschiedlichen Ländern zusammenkommen, um gemeinsam etwas zu bewegen. Denn in Sachen Umsatzsteuer und europäische Rechnungslegungsvorschriften (EPSAS) reicht es nicht auf nationaler Ebene zu kämpfen, hier müssen Kommunen auch auf europäischer Ebene aktiv sein. Die ähnliche kommunale Struktur eint Deutschland und Österreich. Diesen Vorteil nutzten die Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie des Österreichischen Gemeindebundes bei einem gemeinsamen Europatag am 27. und 28. April 2015 um in den wesentlichen Herausforderungen der Gemeinden für die Zukunft eine gemeinsame Linie zu finden. Soviel vorab: Europas Gemeinden müssen zusammenstehen, um gehört zu werden.
Transparenzregister: Gemeinden dürfen nicht benachteiligt werden
Ein fatales Signal für Europas Kommunen sendete die Kommission 2014 mit der Einführung des Transparenzregisters aus: Kommunale Interessensverbände sollten sich wie Lobbyisten aus der Industrie oder von NGOs registrieren lassen. Vertreter der Regionen brauchen das aber nicht tun. „Kommissions-Präsident Juncker hat gesagt, dass er die kommunale Ebene künftig besser in den Gesetzgebungsprozess einbinden und nicht mehr an den eigentlichen Ausführern vorbeiregieren möchte. Im Konkreten meint er damit aber wohl eher die Städte, denn er kann nicht erwarten, dass sich jede einzelne Gemeinde Europas um die europäische Gesetzgebung kümmert. Dafür braucht es aber starke Interessenvertretungen, die auch die kommunale Expertise der kleineren Gemeinden einbringen können“, so der Vorsitzende des Europaausschusses SPÖ-GVV-NÖ-Präsident LAbg. Bgm. Rupert Dworak (am Bild stehend).
Auch die deutschen Vertreter in Brüssel haben die Vorgehensweise der Kommission, welche die Gemeinden nicht als vollwertige Partner wahrnimmt, aufs Schärfste kritisiert. „Die kommunalen Verbände sind nicht wie Wirtschaftslobbyisten auf Gewinnmaximierung aus. Unsere Interessenvertretungen kann man nicht etwa mit Vertretern der Energieindustrie gleichsetzen“, kritisiert die Vorsitzende des deutschen EU-Ausschusses Bgm. Angelika Kordfelder aus Rheine in Nordrhein-Westfalen. Ein weiteres schlechtes Signal ist, dass die Kommission den Ausschuss der Regionen – dem wichtigsten Gremium für Regionen und Kommunen auf europäischer Ebene – nur mehr in die wirklich großen Reformvorhaben einbinden möchte. Das bedeutet in der Praxis, dass der AdR nur mehr zu einem Viertel der Vorschläge konsultiert werden soll.
Daher stellen beide Verbände in ihrer gemeinsamen Erklärung fest:
„(…) Europäische Vorgaben sind zu einem hohen Prozentsatz auf kommunaler Ebene umzusetzen oder berühren die Gemeinden mittelbar. Eine effiziente und partnerschaftliche Zusammenarbeit von EU-Kommission und Europäischem Gesetzgeber mit der kommunalen Ebene bzw. ihren Vertretungsverbänden könnte Folgenabschätzungen der Kommission wesentlich erleichtern und zur besseren Rechtsetzung beitragen. Die kommunale Ebene verfügt über praktische Erfahrung mit der Umsetzung von EU-Recht und kann den Institutionen wichtige Expertise zur Verfügung stellen.
Im Gegenzug erwarten sich die Kommunen und ihre Verbände die Anerkennung als gleichberechtigter Partner und eine Diskussionskultur auf Augenhöhe. Gemeinden und ihre politischen Vertreter besitzen dieselbe politische Legitimation wie Vertreter der regionalen und nationalen Ebene, EU-Mandatare stellen sich derselben Wählerschaft wie Bürgermeister und Gemeinderäte.(…)“
TTIP: Entwarnung von Seiten der Kommission
Keiner weiß etwas Konkretes: Das bestätigte sich einmal mehr bei der Berichterstattung über die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP). Die Kommission bekräftigte zwar mehrmals, dass Dienstleistungen der Daseinsvorsorge nicht im Verhandlungspaket seien, aber es konnte niemand eine sichere Zusage machen, dass dies mit 100-prozentiger Sicherheit auch so bleiben wird.
Aus diesem Grund positionieren sich die Verbände auch angesichts der zahlreichen Gemeinde-Resolutionen deutlich: „Der Gemeinsame Europatag erkennt grundsätzlich die wirtschaftlichen Chancen, welche die Verhandlungen zum TTIP-Abkommen der beiden größten Wirtschaftsregionen der westlichen Welt bieten sollen. Es wird allerdings Wert auf die Feststellung gelegt, dass das Abkommen in keiner Weise die bisherigen Rechte der kommunalen Seite im Bereich der Daseinsvorsorge einschränken darf. Zudem darf das Abkommen nicht dazu führen, dass im Rahmen der TTIP-Bestimmungen kommunalrelevante Entscheidungen durch Schadenersatzforderungen seitens Dritter eingeschränkt oder aufgehoben werden.“
Rechnungslegungsvorschriften: Enorme Kosten müssen vermieden werden
In der Debatte um die Einführung eines neuen Haushaltsrechts sind die Deutschen schon einen Schritt weiter. Hier haben schon viele Bundesländer auf die Doppik umgestellt. In anderen gibt es die Wahlfreiheit für Kommunen. Je nach Bundesland machten die Kommunen unterschiedliche Erfahrungen: Während die deutsche Kommune Niederwerrn wegen des übergroßen Aufwands wieder auf die Kameralistik zurück gegangen ist, berichten andere wiederum von einer beherrschbaren Herausforderung.
Gemeindebund-Generalsekretär Walter Leiss wies auf die nun gefundene österreichische Lösung hin: „Wir liefern alle Daten, die es für einen transparenten Vergleich braucht, aber man kann nicht erwarten, dass eine kleine Gemeinde denselben Aufwand betreibt, wie eine große mit dementsprechend spezialisierten Mitarbeitern. Außerdem müssen die Kosten überschaubar bleiben.“ Bei einer Umstellung aller Kommunen auf das neue Haushaltsrecht rechnet der Gemeindebund mit Kosten in Höhe von 250 Millionen Euro. Deswegen werden Gemeinden über 10.000 Einwohnern auf das System der Länder umgestellt und die restlichen Gemeinden behalten die Kameralistik mit leichten Adaptierungen. Damit liefern alle Ebenen am Ende die gewünschten Daten, die Umstellungskosten werden dann aber nur einen Bruchteil der Gesamtumstellung ausmachen.
Schulterschluss bei Umsatzsteuer
Auch die deutschen Kommunen bekennen sich bei der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie dazu, dass Gemeindekooperationen bei der Umsatzsteuer künftig wieder auszunehmen sind. „Es soll sich auch lohnen, wenn zum Beispiel eine Gemeinde für eine andere die Lohnverrechnung macht. Das gilt auch für Verwaltungsgemeinschaften. Nicht alle Kooperationsgebiete lassen sich durch Verbände verwirklichen“, erklärt Rupert Dworak. Bei diesem Thema, das auch in der Juncker-Kommission noch auf eine Lösung warten lässt, soll weiter gekämpft werden. Weiteren Austausch gab es bei der Grundsteuer, der Asylpolitik und dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen.
Wie wichtig die ständige Koordination ist, zeigt sich erst, wenn es um die für Kommunen wirklich einschneidenden Themen geht. Beide Verbände sprechen für mehr als 13.000 Kommunen. Damit die Gemeinden in Europa Gehör finden und endlich wirklich als gleichwertige Partner anerkannt werden, wird aber auch Kooperation mit anderen kommunalen Interessenvertretern nötig sein.